Angststörung – Angstneurose

Einführung Vorkommen Symptomatik Formen Verlauf Ursachen Therapie

Angststörung, Angstneurose, Angsterkrankung, Panikstörung

Einführung

Hinweis: Psychologische Beratung online - Mein Angebot: Suchen Sie eine psychologische Beratung online? Dann nehmen Sie bitte unverbindlich Kontakt via Mail auf (beratung @ btonline.de). Sie erhalten kurzfristig eine Antwort von mir und weitere Informationen.

Es ist davon auszugehen, dass jeder Mensch das Gefühl „Angst“ kennt. Dennoch ist es sehr schwer, den Begriff der Angst allgemeingültig zu definieren. Grundsätzlich ist Angst wohl ein unangenehmes Gefühl von Erwartung und Bedrohung. Angst hat aber auch eine sehr nützliche Funktion, da sie ein Alarmsignal ist, das Aktivitäten zur Beseitigung einer Gefahr einleitet. Nach der Beseitigung dieser Gefahr sollte allerdings auch die Angst verschwinden.

Bei der krankhaften Angst fallen natürliche körperliche und psychische Abwehrfunktionen teilweise bis weitgehend aus. Angst überflutet dann das Bewusstsein und die Aufgaben der Realitätsbewältigung können nur noch eingeschränkt wahrgenommen werden. Angst ist insbesondere auch dann krankhaft, wenn sie scheinbar grundlos auftritt und übermäßig ausgeprägt ist.

Es werden generalisierte Angststörungen, Panikstörungen (Angstneurose) und phobische Störungen unterschieden. Wesentliches Kennzeichen der generalisierten Angststörung (Angsterkrankung) und Panikstörung ist eine diffuse, generalisierte und anhaltende Angst, die nicht situations- und objektgebunden ist. Im Gegensatz dazu konzentriert sich die phobische Angst auf bestimmte Situationen oder Objekte, die gemieden werden. Phobische Angst ist also situations- und objektgebunden.

Vorkommen

Pathologische Angst ist eine der häufigsten psychischen Störungen. Etwa 5 % der Allgemeinbevölkerung leiden unter behandlungsbedürftigen Angststörungen/Panikstörungen und etwa 7 % unter phobischen Störungen. Dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer (Dilling, Reimer, 1995). Angsterkrankungen und Agoraphobien treten meist erst im frühen Erwachsenenalter zwischen 20 und 30 Jahren auf. Die anderen Phobien beginnen häufig schon in der frühen Kindheit oder im Jugendalter. Der Krankheitsbeginn liegt selten nach dem 45. Lebensjahr.

Einige Phobien wie z. B. Höhenangst, Angst vor geschlossenen Räumen (Klaustrophobie) sind weniger weit verbreitet und werden nicht so oft therapeutisch behandelt. Die Panikstörung ist zwar relativ selten, ist aber am häufigsten behandlungsbedürftig

Symptome

Angst äußert sich sowohl auf der Ebene seelischen Erlebens, als auch durch körperliche Symptome und eine Veränderung des Verhaltens. Oft steht bei dem Betroffenen nicht das subjektive Erleben von Angst im Vordergrund, sondern die körperliche Symptomatik, wie Schwindel und Brustschmerzen, Schwitzen, Erröten. Die körperliche Symptomatik ist i. d. R. auch der Grund für den Arztbesuch. Oft werden Patienten z. B. zunächst mit dem Verdacht einer Herzerkrankung untersucht, bevor die körperlichen Symptome als Anzeichen einer Angsterkrankung erkannt werden.

Formen

Es werden folgende Formen unterschieden: generalisierte Angststörung, Panikstörung und Phobien (phobische Störungen). Die Phobien werden in die Agoraphobie, soziale Phobien und spezifische Phobien unterteilt.

1. Generalisierte Angststörung

Hierbei handelt es sich um länger anhaltende, diffuse Angst, die nicht auf bestimmte Situationen oder Objekte begrenzt ist, sie ist „frei flottierend“. Der Patient kann sich nur kurzfristig von dieser Angst ablenken oder distanzieren. Es zeigen sich u. a. folgende typische Symptome: erhöhte Angsterwartung (z. B. vor Atemnot, Ohnmacht) und vegetative Symptome (Zittern, Muskelanspannung und Ruhelosigkeit, Schwindel, Schlafstörungen, Beklemmungsgefühle, Schwitzen und Mundtrockenheit).

2. Panikstörung

Unter Panikattacken versteht man das plötzliche Auftreten intensiver Angst, die nicht durch eine bestimmte Situation ausgelöst wird. Panikstörungen treten mit einer ausgeprägten körperlichen Symptomatik, wie Herzrasen, Hitzewallungen, Zittern, Schwitzen, Beklemmungsgefühle, Atemnot, abdominelle Beschwerden und Ohnmachtgefühle auf. Viele Patienten empfinden deshalb Todesangst. Häufig entwickelt sich eine Erwartungsangst vor der nächsten Attacke, auch sozialer Rückzug kann eine Folge der Panikstörung sein. Die Dauer einer Panikattacke schwankt von zwei bis drei Minuten bis zu einigen Stunden, in den meisten Fällen hält sie aber 10 bis 30 Minuten an.

3. Phobien

Bei dieser Störung herrscht eine stark ausgeprägte, an bestimmte Situationen bzw. Objekte gebundene Angstsymptomatik vor. Es werden die folgenden Formen unterschieden:

Agoraphobie: Typische Angstsituationen sind der Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen oder in Menschenmengen, das Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten oder alleine mit Bahn, Bus oder Flugzeug zu reisen. Infolge seiner Befürchtungen meidet der Patient die angstauslösenden Situationen, was eine zunehmende Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit zur Folge hat. Das Vermeidungsverhalten steht häufig im Vordergrund, und einige Agoraphobiker erleben nur wenig Angst, da sie die phobischen Situationen vermeiden.

Soziale Phobie: Die Betroffenen entwickeln eine große Angst vor Situationen, in denen sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Typische Situationen sind das Halten eines Vortrags vor Publikum oder die Teilnahme an einer Hochzeitsfeier. Die soziale Phobie tritt häufig in Verbindung mit niedrigem Selbstwertgefühl und Furcht vor Kritik auf. Typische Symptome sind Erröten, Vermeidung von Blickkontakt, Händezittern, Übelkeit und Harndrang.

Spezifische Phobien: Diese Störungen sind durch die Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen gekennzeichnet. Die häufigsten Formen sind Tierphobien (Angst vor Hunden, Insekten, Schlangen oder Mäusen), Angst vor Blut, Angst vor geschlossenen Räumen (Klaustrophobie), Höhenangst, Flugangst oder Angst vor Ansteckung. Da diese Ängste auch in der „Normalbevölkerung“ weit verbreitet sind, werden erst dann als krankhaft bezeichnet, wenn ein erheblicher Leidensdruck vorhanden ist und es zu einer Beeinträchtigung des Tagesablaufs, der sozialen Aktivitäten oder Beziehungen kommt.

Verlauf

Die Agoraphobie verläuft häufig chronisch. Erwartungsangst und Vermeidungsverhalten sind besonders stark ausgeprägt. Auch soziale Phobien können, wenn sie nicht behandelt werden, chronisch verlaufen. Schlimmstenfalls kommt es zu einer vollständigen Isolierung des Betroffenen. Patienten die unter einer sozialen Phobie leiden sind besonders anfällig für Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch. Bei spezifischen Phobien hängt die Prognose von dem Erkrankungsalter ab. In der Kindheit erworbene Phobien klingen meist ohne Behandlung ab, bei späterer Erkrankung bleibt die Phobie meist bestehen. Bei Panikstörungen kann es zu Phasen kommen, in denen die Panikattacken seltener auftreten, dann kann die Häufigkeit der Attacken wieder ansteigen. Die Störung bleibt meist über Jahre in unterschiedlicher Intensität bestehen. Häufig sind depressive Symptome zu beobachten. Auch die generalisierte Angststörung kann, ohne Behandlung, über Jahre oder Jahrzehnte bestehen bleiben. Hier ist allerdings die Beeinträchtigung der sozialen Anpassung und der beruflichen Leistungsfähigkeit meist schwächer ausgeprägt als bei anderen Angststörungen. Ursachen

Über die Entstehung von Angst gibt es verschiedene Theorien:

1. Tiefenpsychologische (psychoanalytische) Theorien:

Aus tiefenpsychologischer Sicht ist eine Phobie das Resultat eines Abwehrvorganges, d. h. Bewusstseinsinhalte, die Angst erzeugen, werden verdrängt. An die Stelle der ursprünglichen (Angst-) Inhalte (Vorstellungen und/oder Gefühle) werden äußere belanglose Situationen gesetzt, d. h. die Angst wird von innen nach außen verschoben. Es findet also nicht nur eine Verdrängung (Unbewusstmachung) der ursprünglich gefährlichen, angstbesetzten Inhalte statt, sondern aus der inneren Gefahr wird eine äußere konstruiert (Verschiebung), die den Vorteil hat, dass sie leicht vermieden werden kann. Eine Phobie ist also die Abwehr gegen Angst (eine Form der Angst wird als Abwehr gegen eine andere benutzt).

Bei der neurotischen Angst handelt es sich aus tiefenpsychologischer Sicht um bewusst erlebte und dargestellte Angst vor dem Verlust der psychischen Existenz. Die erlebte Todesangst ist eine tieferliegende Angst vor Selbstverlust (Verlust der psychischen Existenz). Es handelt sich also um eine phobische Symptombildung, mit der anstelle der sonstigen Externalisierung der Angst (Verschiebung auf eine äußere, angeblich gefährliche Situation) eine Verschiebung auf ein angeblich drohendes Versagen körperlicher Funktionen stattfindet (Mentzos, 1997).

Auslöser einer angstneurotischen Symptomatik sind häufig faktische oder symbolische Trennungssituationen. Der Verlust wird nicht mit seelischem Schmerz, sondern mit existentieller Angst beantwortet. Oft haben diese Objekte für die Betroffenen eine wichtige und nicht ersetzbare Funktion zur Aufrechterhaltung des Sicherheitsgefühles, d. h. angstneurotische Patienten sind stark von äusseren, Sicherheit gewährenden Objekten abhängig.

Diese Abhängigkeit ist die Folge einer unzureichenden Internalisierung von Objektrepräsentanz(en), die wiederum eine unzureichende Ausbildung der Objektkonstanz zu Folge hat. Eine schwache Ausbildung der Objektrepräsentanz (z. B. schwache Verinnerlichung der Mutter) bedeutet aber auch eine Labilisierung und Inkonstanz der Selbstrepräsentanz(en), d. h. eine unzureichende Ausbildung der Selbstkonstanz. Wenn die äußeren Objekte ausfallen oder der Ausfall droht, die bis dahin diese Labilität kompensiert haben, entsteht Selbstverlustangst.

Neurotische Angst entsteht demnach als Folge ungelöster, weitgehend unbewusster Konflikte in Verbindung mit einer unzureichenden Ausbildung der Selbstkonstanz. Die Symptombildung dient der Abwehr der ursächlichen Konflikte. Sie ist der misslungene Lösungsversuch intrapsychischer Konflikte oder der Versuch, unlösbare Konflikte in einen subjektiv leichter erträglichen Zustand umzuwandeln.

2. Lerntheorien

Aus der Sicht der Lerntheorien entsteht Angst in einem mehrstufigen Prozess. Zunächst „erlernt“ eine Person „Angst“ in einer neutralen Situation. Eine Person, die nie Angst vor dem Fliegen hatte, erlebt bei einem unruhigen Flug die Angst vor einem Flugzeugabsturz. Die ehemals neutrale oder sogar als angenehm erlebte Situation des Fliegens ist nun mit Angst besetzt, d. h. ein neutraler Reiz wird zu einem aversiven Reiz (Konditionierung). Dabei werden insbesondere die körperlichen Anteile der Angstreaktion (Herzklopfen, Schwitzen usw.) als angstbesetzt erlebt, so dass Fliegen nicht mehr als harmlos erlebt wird, weil es zu den erlebten körperlichen Symptomen führt. Dadurch wird die Tendenz verstärkt, Fliegen zu vermeiden.

Therapie

Bei der Behandlung von Angststörungen hat sich eine Kombination medikamentöser und psycho- und soziotherapeutischer Ansätze als besonders wirkungsvoll gezeigt. Von den verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren stellt die Verhaltenstherapie das wirksamste Psychotherapieverfahren zur Behandlung von Angststörungen dar. Dies konnte in einer Vielzahl von Untersuchungen gezeigt werden. Für andere Psychotherapieverfahren wie zum Beispiel tiefenpsychologische Verfahren ist die Wirksamkeit noch nicht durch größeren Untersuchungen abgesichert.(N.N., 2001a).

1. Entspannungsverfahren:

Da das Erleben von Angst meist mit einer hohen Anspannung verbunden ist, ist es bei der Therapie von Angststörungen besonders wichtig, wenn der Patient lernt, sich in einen Zustand der Entspannung zu bringen. Dazu werden folgende Techniken angewendet:

Autogenes Training: Entspannung durch autosuggestive Formeln.

Progressive Muskelentspannung: Entspannung durch gezielte An- und Entspannung einzelner Muskelgruppen.

Biofeedback: PatienInnen erhalten Informationen über die Anspannung von Körperteilen.

2. Verhaltenstherapie:

Im Rahmen der verhaltenstherapeutischen Behandlung geht es vor allen Dingen um die Verringerung des Vermeidungsverhaltens. Dazu werden z. B. die Techniken „systematische Desensibilisierung“ und „Reizkonfrontation“ angewendet. Bei der systematischen Desensibilisierung setzt sich der Betroffene zunächst auf der Vorstellungsebene und später in der Realität mit Angst auslösenden Situationen auseinander. Dabei wird schrittweise bei der am wenigsten gefürchteten Situation begonnen. Bei der Reizkonfrontation setzt sich der Betroffene gleich mit der angstbesetzten Situation auseinander.

3. Tiefenpsychologie

In der Therapie soll der zugrunde liegende Konflikt (s. o.) aufgedeckt und bearbeitet werden.

4. Psychopharmaka

Bei der medikamentösen Behandlung von Angststörungen werden häufig Beruhigungsmittel (Benzodiazepine wie Valium oder Lexotanil) eingesetzt. Wegen des hohen Risikos einer Abhängigkeit (siehe Medikamentenabhängigkeit) ist nur ein kurzer Einsatz dieser Medikamente sinnvoll.